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Trailer zum EXTRA Tag Film

Auf der Seite der Bezirksregierung gibt es einen tollen Film zum EXTRA Tag:
EXTRA-Tag!/ Projekt EXTRA-Klasse! auf der Seite der Bezirksregierung

EXTRA-Klasse!

Inklusion neu denken in Gelsenkirchen!

Logo der EXTRA KLASSE

Die profilierte Kooperation im Projekt EXTRA-Klasse! und EXTRA-Tag! bietet die Möglichkeit, dass Grundschulkinder gemeinsam mit Kindern mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung zur Schule gehen. Durch die räumliche Nähe von Löchterschule und Pfefferackerschule können Freundschaften außerhalb der Schule gepflegt werden. Die Kinder bleiben formell Schüler:innen ihrer Stammschulen. Die Kinder der EXTRA-Klasse! werden in den Räumlichkeiten der Löchterschule in einer Klasse von ca. 15 Schüler:innen gemeinsam unterrichtet. Durch Teilnahme an dem Projekt EXTRA-Klasse! erfahren die Kinder positive Auswirkungen auf Schulleistungen und soziale Kompetenzen.

1. Ausgangslage

Es gibt bereits viele Schulen, die Inklusion, also das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Förderbedarf, anbieten. Für Familien mit Kindern mit schweren und mehrfachen, sogenannten „komplexen Behinderungen“ gibt es solche Angebote bisher so gut wie nicht. In einigen Bundesländern gibt es erste Erfahrungen mit dem Gemeinsamen Lernen an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung. Die Begleitforschung dazu zeigt: Diese Form der Beschulung hat positive Auswirkungen auf die Schulleistungen und die soziale Entwicklung für alle Kinder!

In Gelsenkirchen wurden erste Schritte durch den gemeinsamen Sportunterricht (Josef-Rings-Schule und Löchterschule) und die inklusive Projektwoche: „Mit Schalke kann man rechnen“ (Pfefferackerschule und Löchterschule) gemacht. In der Projektwoche wurden sehr positive Erfahrungen in der inklusiven Mathematikunterricht gesammelt. Seit dem Schuljahr 2021/2022 findet der EXTRA-Tag! statt. Hierbei lernen zehn Grundschulkinder und fünf Förderschüler:innen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung aus zwei kooperierenden Klassen der Pfefferackerschule und der Löchterschule in unterschiedlicher Besetzung zusammen. Sie treffen sich jeden Donnerstag für vier Schulstunden und lernen in den Fächern Deutsch, Mathematik, Sachunterricht und Kunst inklusiv zusammen.

Unsere eigenen positiven Erfahrungen und die Beispiele aus anderen Bundesländern zeigen uns den richtigen Weg für die Umsetzung einer EXTRA-Klasse!. Elternvertreter:innen sind in die Projektplanung eingebunden, um möglichst früh ihre Belange einzubringen. Die Schulkonferenzen beider Schulen unterstützen das Kooperationsprojekt EXTRA-Klasse!.

Wir sind uns sicher, eine EXTRA-Klasse! schafft für alle Kinder einen nachhaltigen Mehrwert!

2. Mehrwert für Kinder, Lehrkräfte und Eltern

Kinder mit und ohne Behinderungen können miteinander und voneinander lernen.

Es werden von Schulaufsicht und Schulträger Rahmenbedingungen geschaffen, um die reibungslose Teilnahme für alle Kinder egal welcher Schulformen möglich zu machen.

Dabei werden Werte zum Leben und Lernen in einem Klima, das Verschiedenheit wertschätzt und Individualität als Ressource begreift, erlernt und gefördert.

Die Kinder werden durch moderne Lernkonzepte mit gezielt eingesetzter Methodenvielfalt gemeinsam und individuell betreut.

Die Kinder partizipieren am Ganztagsbetrieb und an einer multiprofessionellen Betreuung.

Die Kinder erhalten für die EXTRA-Klasse! eine moderne digitale Ausstattung zum gemeinsamen Lernen.

Die Einhaltung der Stundenplan-Vorgaben der jeweiligen Stammschulen wird garantiert. Zusätzlich werden durch die Zusammenarbeit der Kinder die soziale Kompetenz und das selbstständige Arbeiten gefördert.

3. Pädagogische Ziele

Alle Schüler:innen lernen gemeinsam.

Unterrichtsinhalte und Kompetenzen entsprechen den Lehrplänen der Gleichaltrigen.

Die Leistungen und Kompetenzen entsprechen denen der Parallelklassen.

Alle Schüler:innen haben so viel gemeinsame Lernzeit wie möglich und so viel individuelle wie nötig.

Alle Schüler:innen sind aktiver Teil der Schüler:innengemeinschaft.

Schüler:innen, Familien und Lehrkräfte erleben Vielfalt und Teilhabe in einer wachsenden Gemeinschaft.

Schüler:innen, Lehrkräfte und Eltern haben eine gute Grundschulzeit und knüpfen Kontakte in ihrem Stadtviertel.

4. Pädagogisches Konzept

Ein Projektteam aus Lehrkräften der Löchterschule und der Pfefferackerschule sowie Elternvertreter:innen haben in Zusammenarbeit mit dem Beirat (Schulaufsicht, Schulträger und Wissenschaft) ein pädagogisches Konzept zu dem inklusiven Unterricht im Projekt EXTRA-Klasse! erarbeitet.

Dem gemeinsamen Lernen in der EXTRA-Klasse! liegt zugrunde, dass jedes Kind in seiner individuellen Lebenswirklichkeit mit seinen persönlichen Voraussetzungen, Vorerfahrungen und Interessen als ein gleichwertiger Teil der Klasse gesehen wird.

Jedes Kind gehört dazu, und jedes Kind bereichert die Gruppe!

Im Rahmen gemeinsamer Unterrichtsfächer oder -themen werden für die Kinder individuelle Lernziele aufgestellt, die sich auf verschiedenen Niveaus befinden können. Die Einhaltung der curricularen Vorgaben wird dabei gewährleistet.

Die Kinder erwerben - wie in den jeweiligen Stammschulen - Wissen über die Welt und wie dieses anzuwenden ist. Inklusives Lernen in der EXTRA-Klasse! umfasst neben dem Erwerb akademischer Kompetenzen auch weitergehende personale, soziale, gesundheitliche und partizipative Kompetenzen. Diese zielen darauf ab, größtmögliche Selbstständigkeit und Zusammenarbeit zu erlernen.

Die breit aufgestellte Vielfalt in der EXTRA-Klasse! bietet dafür ein Lernumfeld zum Ausprobieren, Gestalten und Reifen. Was muss ich können, um so selbstständig wie möglich leben zu können? Was benötige ich, um an der Gesellschaft oder in einzelnen Gruppen teilhaben zu können? Wie ermögliche ich anderen Menschen Teilhabe in einer gemeinsamen Gruppe? Wie helfe ich, ohne zu bevormunden?

Für Kinder mit komplexer Behinderung bedeutet Lernen, dass ihnen die Welt auf eine Weise nahegebracht wird, in der sie sich auf grundlegender Wahrnehmungsebene und in aktiver Tätigkeit sinnvoll mit ihr auseinandersetzen können. Hieran werden alle Kinder und Erwachsene in der EXTRA-Klasse! beteiligt. Unterrichtsinhalte auf diese Weise gemeinsam mit Leben zu füllen, bietet leistungsstärkeren Kindern die Chance einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand auf inhaltlicher und prozessbezogener Ebene.

Für alle Kinder bedeutet Lernen ebenfalls Wissen über die Welt zu erhalten und dieses anzuwenden. Geleitet werden diese Kinder an den genehmigten Vorgaben des Schulministeriums. Durch die gemeinsamen Tätigkeiten mit Kindern mit komplexer Behinderung wird nebenbei die Aneignung von weiterem Wissen zu sozialen und gesundheitlichen Umgang ermöglicht. Auch hieran werden alle Kinder und Erwachsene in der EXTRA-Klasse! beteiligt.

Lernen in einer gemeinsamen Klasse heißt für uns, dass wir miteinander und voneinander lernen. Dies gilt für die Kinder genauso wie für die Erwachsenen. Aus dem Ganzen soll so mehr werden als die bloße Summe seiner Teile. Im Rahmen gemeinsamer Unterrichtsfächer oder -themen werden für alle Kinder individuelle Lernziele aufgestellt, die sich auf verschiedenen Lernzielebenen und unterschiedlichen Aneignungsniveaus befinden können. Lernzeit soll so viel wie möglich gemeinsam, und so individuell wie nötig gestaltet werden. Lernziele werden für jedes Kind der EXTRA-Klasse! in einem individuellen Förderplan gebündelt.

5. Erfahrungen anderer inklusiver Förderschulen

Bereits früh in der Projektentwicklung wurde Kontakt zu Schulen aufgenommen, die ähnliche Strukturen wie die der EXTRA-Klasse! haben. In Niedersachsen hat das Kardinal-von-Galen-Haus als Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung in Dinklage seit dem Schuljahr 2012/13 sehr gute Erfahrungen mit dem inklusiven Unterricht mit Grundschülern gemacht.

Die wissenschaftliche Begleitung an der Schule verdeutlichte, dass

Schüler:innen ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf überdurchschnittliche Leistungen in der Lesekompetenz und in Mathematik im oberen Durchschnittsbereich erreichten,

alle Schüler:innen in der sozial-emotionalen Schulerfahrung überdurchschnittliche Ergebnisse zeigten,

das Qualitätsmerkmal Soziale Integration und das Gefühl des Angenommenseins über die gesamte Grundschulzeit sehr gut erfüllt wurde (Gebhard & Schröter 2017, S. 555).

Es gibt noch weitere Schulen, die einen ähnlichen Weg gegangen sind, wie z.B. die Karl Preising Schule in Bad Arolsen und das Schulzentrum Paul Friedrich Scheel in Rostock. Auch mit diesen Einrichtungen besteht ein Austausch. Dort sind ähnliche Erfahrungen gemacht worden.

6. Erfahrungen im EXTRA-Tag!

Seit dem Schuljahr 2021/2022 lernen Schüler:innen der Pfefferacker-Grundschule und der Förderschule, LWL-Förderschule Körperliche und motorische Entwicklung, inklusiv gemeinsam. Gestartet hat eine Klasse 1 der Pfefferackerschule und eine Klasse E2 der Löchterschule. Somit erleben insgesamt 35 Schüler:innen in wechselnder Gruppenzusammensetzung inklusiven Unterricht. Ein Gruppenwechsel findet ca. alle acht Wochen statt, damit alle Schüler:innen der Klassen am EXTRA-Tag! teilnehmen können. Grundlage des EXTRA-Tages! ist das pädagogische Konzept der EXTRA-Klasse!, welches in Teilen auf die speziellen Rahmenbedingungen des EXTRA-Tages! angepasst und in einem eigenen pädagogischen Konzept niedergeschrieben wurde.

Jeden Donnerstag treffen sich neun bis zehn Grundschüler:innen mit vier bis fünf Förderschüler:innen in der Löchterschule für vier Stunden (1.- 4. Schulstunde) an der Förderschule. Unterrichtsfächer während des EXTRA-Tages! sind Deutsch, Mathematik sowie Sachunterricht und Kunst. In dem Zeitraum enthalten sind auch gemeinsame Essens- und Pausenzeiten. Der Unterricht wird von einem Zweierteam, einer Sonderpädagogin der Löchterschule und einer Grundschullehrkraft der Pfefferackerschule vorbereitet und durchgeführt. Die Schüler:innen werden entsprechend ihrer Einstufung im Bildungsgang der Grundschule, des Förderschwerpunktes Lernen oder des Förderschwerpunktes Geistige Entwicklung unterrichtet. Zudem werden die Schüler:innen mit komplexer Behinderung nach den Richtlinien für die Förderung schwerstbehinderter Schüler:innen beschult.

Die Schüler:innen begegnen sich offen und haben den EXTRA-Tag! als festes, selbstverständliches schulisches Element für sich aufgenommen. Sie freuen sich auf den gemeinsamen Unterricht und wollen am Liebsten in jeder Gruppenzusammensetzung dabei sein. Die Schüler:innen arbeiten aktiv mit, sie konnten inhaltliche Vorgaben und Ziele erreichen und ihre sozialen Kompetenzen haben sie über die Maßen ausgebildet und weiterentwickelt.

Die Rückmeldungen der Eltern sowie der hospitierenden Lehrkräfte und Vertreter:innen aus der wissenschaftlichen Begleitung sind äußerst positiv.

Das Projekt hat den Innovationspreis 2022 des VDS NRW (Verband Sonderpädagogik NRW) gewonnen und der WDR hat den EXTRA-Tag! besucht und einen Beitrag in der Lokalzeit Ruhr ausgestrahlt.

7. Wissenschaftliche Begleitung

Die Technische Universität Dortmund und die Hochschule für Gesundheit Bochum stellen sicher, dass in der Projektentwicklung aktuellste wissenschaftlichen Erkenntnissen einfließen und unterstützen die Begleitforschung zum Projekt EXTRA-Klasse!. Die wissenschaftliche Begleitung bezog sich in den Jahren 2022 und 2023 auf die Untersuchung des EXTRA-Tages! und auf die beratende Funktion im Beirat. Zuvor bezog sich die Begleitung bereits auf die Erstellung des pädagogischen Konzepts.